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Retten uns die Gerichte?
Klimaschutz – das sind wir alle. Für eine klimaneutrale Welt, für ein klimaneutrales Europa und für ein klimaneutrales Deutschland braucht es nicht nur Gesetze, sondern jeder Einzelne ist dafür verantwortlich.
Wir sind jetzt acht Milliarden Menschen auf der Erde. Jede und jeder ist ein Teil des Problems. Allerdings sind wir in den reichen Industriestaaten ein weit größeres Problem als die armen Menschen, die viel weniger Energie verbrauchen als wir. Ein Afrikaner und eine Afrikanerin verbrauchen etwa ein Zwanzigstel der Energie gegenüber einem Europäer oder einer Europäerin.
Deutschland ist bereits auf einem halbwegs guten Weg zur Klimaneutralität. Bis Ende dieses Jahrzehnts werden und sollen wir bereits zwei Drittel weniger Treibhausgase emittieren als noch 1990. Bis 2040 sollen es 88 Prozent weniger sein und bis 2045 100 Prozent. Dazu musste erst das Bundesverfassungsgericht durch ein zukunftsweisendes Urteil im Jahr 2021 die damalige große Koalition drängen. Die Klage hatten die Fridays-for-Future-Freunde zusammen mit anderen Umweltverbänden angestrebt und gewonnen.
2021 war die rot-grün-gelbe Ampel-Regierung als „Koalition der Zukunft“ angetreten. Doch auch sie muss ihre Klimaschutzziele durch juristischen Nachhilfeunterricht nachbessern. Bei einer Klage der Deutschen Umwelthilfe hat das Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg soeben entschieden, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Klimaziele bis 2030 beziehungsweise 2045 zu erreichen. Durch die bisherigen Maßnahmen klaffe eine Gesamtlücke von 200 Millionen Tonnen Kohlendioxyd-Äquivalent.
Soviel CO2 müsse bis 2030 zusätzlich eingespart werden, belehrten die Richterinnen die Bundesregierung. Und sie ergänzten, dass vor allem mehr für die nasse Bewirtschaftung und Wiederverwässerung der Moore und Wiesen sowie für die Reduktion des Holzeinschlags der Wälder mehr getan werden müsse. Eine Klatsche für eine Regierung, an der die Grünen beteiligt sind. Die Juristen und die klagenden Umweltverbände fragen zu Recht: Was nützen die schönsten Ziele, wenn die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung ignoriert werden?
Tempolimit jetzt
Dieses Urteil ist eine verdiente Ohrfeige für die teilweise Schein-Klimapolitik der Bundesregierung. Als nächstes muss die Ampel-Regierung ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen beschließen, das schnell umsetzbar und kostenlos wäre, sowie die steuerliche Förderung von Dienstwagen einstellen. Jeder eingesparte Liter Diesel und Benzin hilft im Kampf gegen die Klimakrise und die Abhängigkeit von fossilen Importen. Und mit Tempo 100 auf der Autobahn, 80 außerorts und 30 innerorts können wir einfach und schnell über 11 Millionen Tonnen CO2 und 3,7 Milliarden Liter Sprit pro Jahr vermeiden – das hat die Deutsche Umwelthilfe errechnet. Es ist ein Trauerspiel, dass solche Beschlüsse hierzulande per Gericht gegen einen Porsche-Verkehrsminister Wissing durchgesetzt werden müssen.
Ob uns letztlich die Gerichte retten? Zurzeit zumindest sind sie in vielen Ländern eine fundamentale Hilfe beim Klimaschutz. Die Bürgergesellschaft zwingt ihre Regierung per Gericht zu mehr Klimaschutz. Schließlich haben 12.000 Bürgerinnen und Bürger die Deutsche Umwelthilfe bei ihrer Klage vor dem Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg unterstützt.
Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com.